Ich bin hochgradig schwerhörig. Und mein Mann ist Goldschmied.
Als in der Corona-Zeit alle mit Masken vor dem Mund sprachen, und ich bei niemandem mehr das Mundbild ablesen konnte und deshalb fast nichts mehr verstand, machte er für mich diese Brosche:

 

Foto: Ulrich Neuhaus -Schmuck und Skulptur- Hannover

Sie ist aus feinem Silber gefertigt, und mein Mann hat in ihre quadratische Form ein eindeutiges Relief hineinmodelliert.
Es stellt ein durchgestrichenes Ohr dar, und damit das internationale Zeichen dafür, dass ich hörgeschädigt bin.
„Diese Brosche steckst du einfach an das Revers deines Mantels!“, sagte mein Mann zu mir, als er sie mit schenkte, „dann sehen die Leute gleich, dass du schwerhörig bist“.
Das machte ich.
Jedes Mal, wenn ich das Haus verließ, war die Brosche mit dabei.
Und zwar so, dass die anderen sie eigentlich deutlich hätten erkennen müssen.
Manchmal klappte das auch, und dann kam ich mit meinem Gegenüber ins Gespräch, und ich konnte ihm sagen, wie es mit mir reden muss, damit ich es gut verstehe.
Oft aber klappte es nicht, und das frustrierte mich.
Also steckte ich die Brosche immer weniger an, und dann war die Corona-Zeit vorbei, und die Brosche verschwand in einer Schublade.
Aber neulich war ich beim Arzt, und der trug eine Maske.
Und ich konnte wie in der Corona-Zeit kein Mundbild ablesen.
Und meine Brosche hatte ich natürlich auch nicht angesteckt.
Da dachte ich: Ich hole die Brosche jetzt einfach wieder aus der Schublade!
So nach dem Motto: ‚Prüft alles und behaltet das Gute!‘
Ob die Brosche ‚gut‘ ist, werde ich dabei nicht überprüfen.
Ich habe mich schon damals unglaublich über dieses sinnige Geschenk meines Mannes gefreut, und ich finde es auch heute noch wunderbar gefertigt.
Aber ich will überprüfen, wie ich die Brosche trage: nämlich nicht verschämt und beiläufig, sondern stolz und selbstbewusst, und so, dass ich bei jeder Gesprächssituation zuerst einmal auf sie zeige.
Inzwischen bin ich mir nämlich sicher: Dann werde ich jedes Mal mit meinem Gegenüber ins Gespräch kommen, und ich werde ihm jedes Mal sagen, wie es mit mir reden muss, damit ich es gut verstehe.
Und wann mache ich das das erste Mal?
Gleich Morgen!
Da habe ich nämlich meinen nächsten Termin bei dem Arzt mit der Maske vorm Mund.

Beate Gärtner, Schwerhörigenseelsorgerin

Anmerkung 1: Diese Geschichte habe ich zwar verfasst, aber sie ist nicht meine Geschichte. Sie wurde mir freundlicherweise geliehen von der Person, der diese wunderbare Brosche gehört:
Sie hat sie erst neulich wieder aus ihrer Schublade rausgeholt und ans Revers gesteckt.
Anmerkung 2: ‚Prüft und behaltet das Gute!‘ stammt natürlich aus der Bibel. Es ist die Jahreslosung für 2025 und steht im 1. Thessalonicherbrief des Paulus, Kapitel 5, Vers 21.