Ich bin immer noch begeistert von Roger und habe ihn neulich das erste Mal mit zur Arbeit genommen.
Das wisst ihr doch?!
Dass ich in meiner Landeskirche nicht nur die Beauftragte für Schwerhörigenseelsorge bin, sondern auch als „normale“ Pastorin unterwegs?!
Zur Mitarbeit im Kirchenkreis nennt sich das, und was ich da mache sind Gottesdienste, Taufen, Trauungen und Beerdigungen.
Und hier beginnt das Problem.
Nein, ich muss es anders formulieren: Hier begann mein Problem, als ich meine Schwerhörigkeit noch mehr oder weniger verdrängt habe.
Da bin ich nämlich zu jedem Tauf-, Trau- und Beerdigungsgespräch mit äußerst gemischten Gefühlen gegangen.
‚Was, wenn ich an entscheidender Stelle etwas falsch verstehe?!‘ lautete die Überschrift über allen diesen Gesprächen.
Bei Taufen und Trauungen war es noch nicht mal so schlimm.
Ein fröhliches Fest verzeiht vieles.
Aber bei Beerdigungen?
Wo die Trauer jedes Wort auf die Goldwaage legt und ein falsches eben nicht verziehen wird?!
Ihr könnt es mir glauben:
Ich habe die Ohren gespitzt wie ein Luchs, und das war so anstrengend, dass mir dabei jedes Mal der Schweiß den Rücken entlang lief.
Dann – als es gar nicht mehr ging – kam die Einsicht:
Du musst dich endlich mit deiner Schwerhörigkeit auseinandersetzen.
Sie akzeptieren und in dein Leben und deine Arbeit integrieren.
Sie offen und freundlich kommunizieren.
Das alles habe ich getan.
Und schon das war ein gutes Gefühl.
Dann habe ich angefangen, auch bei der Arbeit Hilfsmittel zu verwenden.
Wie jetzt Roger.
Der mit seinen hochwertigen Mikrophonen zielgerichtet mehrere Gesprächspartner aufnimmt.
Und mit seinem Empfänger das Gesprochene direkt in meine Hörgeräte
überträgt.
Vielleicht könnt ihr euch schon denken, wo ich ihn das erste Mal eingesetzt habe?!
Genau! Bei einem Beerdigungsgespräch.
Stellt euch vor: acht Trauernden sitzen um einen großen Wohnzimmertisch.
Sie sprechen leise und mit verhaltenen Stimmen.
Nur mit Hörgeräten ausgestattet, wäre ich an dieser Situation gescheitert.
So aber lege ich Roger auf den Tisch, erkläre seine Funktion und schalte auf die T-Spule in meinem Hörgerät um.
Ich höre alles klar und deutlich und vor allem: völlig stressfrei!
Wann und wo die Verstorbene geboren wurde, wie ihre Kinder heißen und dass sie Witwe gewesen ist.
Dass sie eine sehr gute Köchin war und ihr Schweinebraten mit Rotkohl und Klößen sagenhaft.
Dass sie für die ganze Familie Socken gestrickt hat und bis zuletzt teilgenommen am Leben ihrer Kinder und Enkel.
Und dass sie jeden Sonntag Bingo mit Michael Thürnau gesehen hat.
Noch einen Satz verstehe ich laut und deutlich, und der wird später zur Grundlage meiner Ansprache:
„Jetzt ist Mama im Himmel wieder mit Papa zusammen, und die beiden sitzen vorm Fernseher und füllen ihre Bingoscheine aus.“
Am Ende noch eine Anmerkung:
Für Roger gibt es mögliche Kostenträger.
Etwa die Agentur für Arbeit oder das Integrationsamt oder die Rentenversicherung.
Beate Gärtner, Beauftragte der Schwerhörigenseelsorge der Ev.-luth.
Landeskirche Hannovers