Nein. Celine Dion hat überhaupt keine Probleme mit ihren Ohren.
Wahrscheinlich hat sie sogar ein absolutes Gehör.
Jedenfalls hört sie mühelos jeden falschen Ton.
Am 26. Juli 2024 singt sie bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris.
Ein Chanson von Edith Piaf: L’Hymne à l’amour.
Sie steht dabei auf dem Eiffelturm.
Allein schon das ist unglaublich beeindruckend!
Mich beeindruckt aber noch viel mehr, dass es ihr erster Auftritt nach vier Jahren ist:
Ausgerechnet bei einem solchen Ereignis!
Und vor einer solchen Kulisse!
Denn Celine Dion ist krank.
Wie schon gesagt: nichts mit den Ohren.
Es ist eine Erkrankung, die ihr das Singen und Auftreten erschwert oder sogar unmöglich macht:
die Muskeln in den Händen und Füßen, in der Brust und im Bereich der Stimmbänder verkrampfen sich.
Unvorhersehbar und unkontrollierbar.
Celine Dion hat das seit 17 Jahren.
Und sie hat es lange gut versteckt.
Aber in diesem Jahr lässt sie die Menschen an ihrer Erkrankung teilhaben.
In einer Dokumentation, die sie durch das letzte Jahr begleitet.
Zum Teil sehr ungeschützt.
Und nun steht sie also auf dem Eiffelturm.
Und singt.
Und ich bange um sie.
Ob sie diesen Chanson auch ‚über die Bühne kriegt‘.
Ich bange besonders vor ihrem letzten Einsatz.
Bevor das Chanson nach einer kurzen Gesangspause zum Atemholen in sein Finale übergeht.
Denn da sieht Celine Dion für einen kurzen Moment sehr ergriffen (oder sogar angegriffen?) aus und blickt zu ihrem Klavierspieler.
Dann aber blickt sie ins Publikum zurück und singt die letzten Worte des Chansons mit einer so ungeheuren Stimmgewalt, dass es mir die Tränen in die Augen treibt.
Als ihr letztes Wort verklingt, macht sie diese Geste:
Sie ballt ihre rechte Hand zu Faust und winkelt ihren rechten Arm mit der geballten Faust mutig und kraftvoll über ihrem Kopf an.
Für mich heißt das:
„Ich mache weiter!
Trotz meiner Erkrankung.
Und mit ihr.
Ich lasse mich von meiner Erkrankung nicht mehr behindern, und ich vertraue euch.
Deshalb erzähle ich euch von ihr.
Und deshalb singe ich heute hier!“
Aber warum erzähle ich das Ganze?
Und das auch noch in meinen Ermunterungstexten für Schwerhörige?
Weil wir es genau so halten sollten wie Celine Dion:
Unsere Schwerhörigkeit offen legen.
Sie in unser Leben und unsere Arbeit integrieren.
Trotz und mit unserer Schwerhörigkeit mutig und kraftvoll weiter machen, manchmal sogar mit geballter Faust.
Vor allem aber:
Unsere Mitmenschen voller Vertrauen an unserer Schwerhörigkeit teilhaben lassen!
Die letzten Worte des von Celine Dion gesungenen Chansons lauten übrigens:
Dieu réunit ceux qui s’aiment – Gott vereinigt alle, die sich lieben.
Für mich ist das kein Zufall!
Beate Gärtner, Schwerhörigenseelsorgerin
P.S. Wer diesen Auftritt sehen und hören möchte, bitte hier klicken.